Bin ich ein „Berliner Kindl“? Eigentlich müsste es mir ja etwas peinlich sein, von mir
selbst immer als „Vario“ zu sprechen, wo ich doch eigentlich „nur“ ein T 2 bin, wie die „Schweren Transporter“ von Mercedes-Benz bis 1995 bezeichnet
wurden, bevor sie ab 1996 den Namen „Vario“ bekamen. Ich erblickte die Welt 1995 im Transporterwerk Ludwigsfelde bei Berlin, wo ich zu einem recht schweren (7,5 t) und stabilen Kerlchen mit permanentem
Allradantrieb heranwuchs und die offizielle Bezeichnung 814 DA erhielt. Man baute mir einen kräftigen 4 l Dieselmotor mit 140 PS ein, sogar mit Turbolader und „Intercooler“, was auch immer das sein sollte.
Auf Sicherheit legte man bei meinen Eltern besonderen Wert und stattete mich daher mit Druckluftbremsen, ABS sowie Motorbremse aus, so dass sich mein ungestümer
Vorwärtsdrang jederzeit angemessen würde bremsen lassen.
Sehr gefreut habe ich mich später darüber, dass man mir keinen elektronischem Schnickschnack eingebaut hatte,
dessen Nachteile ich oft bei anderen Fahrzeugen beobachten konnte. Meine Jugendzeit In meinen grossen Laderaum mit fast 2 Meter Stehhöhe baute man bald allerlei Regale und Wände ein, deren Sinn
mir längere Zeit schleierhaft war.
Immerhin gefiel mir meine Ausstattung recht gut und ich wartete sehnlichst darauf, nun in einen repräsentativen
Verkaufsraum eines Mercedes-Benz Verkaufshauses zu kommen und dort ausgestellt zu werden.
Die Enttäuschung war dann allerdings gross, als mich schon hier im Werk einige, in blaue Arbeitsanzüge
gekleidete Männer abholten und schon nach kurzer Zeit zu harter Arbeit heranzogen. Aus war es nun mit den sauberen Werkhallen und den freundlichen Monteuren:
Nur allzu oft musste ich durch Dreck und Schlamm zu den Baustellen fahren, wo die Männer an elektrischen Anlagen einer Stromfirma arbeiteten, bei Wind und Wetter, bei Schnee und Hitze.
So wurde mir auch bald klar, warum man mich mit Allradantrieb und Differenzialsperre ausgerüstet hatte. Eigentlich fiel mir der harte Dienst dank meiner
Ausrüstung leicht, was mich aber immer störte, war der mangelnde Dank oder zumindest eine Anerkennung für meine Arbeit.
Besonders bedrückte mich dabei immer der zunehmende Dreck, der sich an mir und besonders in mir häufte.
Neulich konnte ich sogar beobachten dass der Fahrer nicht mal mehr das Gaspedal betätigen konnte weil sich unter der Gummimatte zu viel Erde und Sand angesammelt hatten.
Auch meine technische Wartung lief nicht gerade auf einem hohen Niveau und an meiner Aussenhaut bildeten sich sogar schon kleine Roststellen, um die man sich hätte kümmern müssen. Die Jahre vergingen schnell
Ich sah viele schöne Landschaften und hätte mich eigentlich recht wohl fühlen müssen, ja, wenn eben diese mangelnde Wartung mir nicht dauernd Kummer und Sorgen gemacht hätte.
Im Jahre 2005 erfuhr ich dann plötzlich von einer Änderung meiner persönlichen Situation, meine bisherige
Firma sollte in eine andere grosse Elektrizitätsgesellschaft übergehen. Na, dachte ich, vielleicht nimmt man mich mit und kümmert sich dann dort etwas besser um mich, was
sich bald aber als Traumvorstellung herausstellen sollte: Fast 2 Jahre blieb ich nun auf dem alten Betriebshof stehen und kein Mensch interessierte sich mehr für mich, ich war irgendwie in Vergessenheit geraten.
Ich fühlte mich überhaupt nicht gut und hatte schon fast mit meinem Leben abgeschlossen, als sich dann doch noch eine unerwartete Änderung ergab:
Eines Tages startete man plötzlich meinen Motor, was auch nach dieser langen Standzeit ohne Probleme vonstatten ging und fuhr mich auf den Hof eines
Nutzfahrzeughändlers, wo ich einen Standplatz neben einigen anderen Leidensgenossen bekam. Bald schrieb ein Mitarbeiter einige meiner Lebenslaufdaten auf und ich ahnte, dass ich wohl nun verkauft werden
sollte, ich war gespannt, was sich ereignen würde, aber schlimmer als zur Zeit konnte es ja kaum noch werden!
Neue Zukunftsperspektiven eröffnen sich
Einige Zeit passierte nichts Neues bis mein Motor plötzlich wieder gestartet wurde und ich fremde Stimmen hörte. Bald rollte ich auf die Strasse und anschliessend in einen
Steinbruch, scheinbar sollte meine Geländegängigkeit getestet werden, ein Versuch, vor dem mir überhaupt nicht bange war.
Offenbar waren die Kaufinteressenten nach der Tour von meinen Fähigkeiten überzeugt, denn sie kauften mich und
fuhren mit mir auf der Autobahn in südlicher Richtung. Nach einiger Zeit vernahm ich beim Tanken einen mir bis dahin unbekannten Dialekt, den ich inzwischen als „bayerisch“ identifiziert habe.
Martin und Birgit, die mich so weit gefahren hatten, stellten mich neben einem hübschen Haus ab und
liessen mich wieder allein, offenbar waren meine neuen Besitzer selbst nicht anwesend, angeblich sollten sie sich noch in Amerika aufhalten. So vergingen wieder einige Monate bis dann Bärbel und Bernd
auftauchten, denen ich mich leider so ungepflegt zeigen musste, wie ich nach der langen Standzeit nun einmal war, was mir verständlicherweise sehr Leid tat.
Ich werde ein Reisemobil Es herrschte noch Winter und so konnten B.u.B. zwar bald mein Innenleben erforschen, aber noch nicht richtig
an mir arbeiten. Immerhin hatte ich schon so viel mitbekommen, dass ich von einem Werkstattwagen zum Wohn- bzw. Reisemobil umgebaut werden sollte. Das waren ja schöne Aussichten: Als Reisemobil würde ich
sicher interessante Länder kennen lernen und brauchte nicht mehr wie früher in Matsch und Schnee beim Leitungsbau helfen. In der nächsten Zeit arbeitete Bernd immer dann an mir,
wenn einmal etwas wärmeres Wetter herrschte, immerhin sollten ja auch einige Löcher in meinen Körper geschnitten werden, in die dann Stauklappen und Fenster eingebaut werden sollten.
Ich beobachtete B.u.B. genau und muss sagen dass ich mit dem Baufortschritt und der Art und Weise, wie ich
ausgebaut wurde sehr zufrieden war: Im Sitzbereich der zweiten Reihe, dort, wo früher die Monteure sassen, wurde nun die Trennwand zur Werkstatt entfernt und es
entstand ein hübscher Waschraum mit hellgrauen Wänden und weissen Einrichtungen. Als ich Bernd einmal beim Bau belauschte, hörte ich ihn gerade über die unverschämten Preise schimpfen, die alle
Einrichtungs- und Ausrüstungsteile heute haben, so dass z.B. eine Kassettentoilette mit nach aussen herausnehmbarem Tank volle 440 € kostete, so viel, wie
manche Kassiererin im Supermarkt im Monat verdient, fand er sehr teuer, genau so Fenster, Stauklappen, Dachlüfter sowie Heizung und selbst Kleinteile. Ja, da kann ich nur sagen: Ihr wart wohl zu lange im
Ausland und habt hier inzwischen etwas den Anschluss verloren! Alles ist hier während eurer langen Reise durch Süd- und Nordamerika sehr teuer geworden. Zurück zum Ausbau: B.u.B. hatten sich die Arbeit prima
aufgeteilt, wie ich immer wieder beobachten konnte: Bernd widmete sich mehr der Technik und dem eigentlichen Ausbau, während Bärbel viele Stunden lang Möbel farblos und Trennwände hellgrau lackierte und
dabei öfter feststellte dass der heutige Lack wohl irgendwie nicht mehr die Qualität von früher hätte. Die naturfarbig belassenen Möbel passen sehr gut zu den
hellgrauen Wänden, zu deren Basis manchmal die früheren Wände der Werkstatteinrichtung verwendet werden konnten. Ich konnte gut beobachten wie hinter dem erwähnten Waschraum eine bequeme Sitzgruppe für 4 Personen mit
grossem Fenster entstand, deren Masse bei anderen Wohnmobilen entlehnt wurden. Gegenüber befindet sich die praktische Küche mit den vielen Schubladen, von der Bärbel sofort sehr begeistert war. Gerade das Thema
„Stauraum“ war in ihrem früheren Fahrzeug, einem Landrover Defender, oft etwas zu kurz gekommen, so dass ich die Begeisterung gut verstehen kann. In meinem hinteren Bereich entstand ein hübsches
Schlafzimmer im „ersten Stock“, mit 1,30 m Bettbreite schon eher etwas für Verliebte, aber da scheint es ja, so wie ich das mitbekommen habe, keine Probleme zu geben.
Abgesehen vom Ausbaufortschritt kümmerte sich Bernd nun auch um meinen technischen Zustand kümmern, der
zwar etwas ungepflegt, aber immerhin so gut war, dass man mich ohne Probleme beim TÜV vorführte, wo ich vorerst als Lkw abgenommen wurde bis ich dann später ein richtiges Reisemobil werden soll.
Ein besonderes Ereignis muss ich noch erwähnen: Im Juni brachten B.u.B. unerwartet die schönen Polster für meine Sitzgruppe, die von einer Fa. Groh in Nürnberg nach
Wunsch angefertigt worden waren, dazu eine bequeme Kaltschaummatratze, nicht mehr so dünn und spartanisch wie im “Landy”, wie man den Landrover immer zärtlich nannte.
Bald, am 27. Juni 2008, folgte dann die erste Ausfahrt, die uns nach Heidenheim an der Brenz führte, wo das nette kleine „Weltenbummlertreffen“ statt fand und so die erste Nacht im neuen Schlafzimmer verbracht werden sollte.
Ich will hier nicht über Einzelheiten berichten, man ist ja nicht gern indiskret, aber immerhin habe ich so viel mitbekommen, dass B.u.B. super geschlafen haben. Auch
Reisefreunde, die ebenfalls auf dem Treffen waren, wie Beatrice und Walti; Georg und Elfi sowie Traudl und Horst waren recht angetan von mir und B.u.B’s Ausbau, was mich natürlich auch sehr freute.
Weiter ging es noch in die Nähe von Innsbruck, wo B.u.B. Freunde trafen und dort schöne Tage verbrachten.
Am letzten Abend wurde ganz unerwartet auch meine Hoffnung auf einen Kosenamen erfüllt, als mich die frohe Runde bei einigen Gläsern Rotwein auf „JackyBlue“ taufte, ein schöner Name, wie ich finde. Inzwischen sind wir zurückgekehrt in die Oberpfalz, wo
ich nun wohne, mein Ausbau ist noch nicht ganz fertig, aber immerhin kann ich schon sagen: Für mich sind glückliche Zeiten angebrochen und ich will mich bemühen,
Bärbel und Bernd immer ein treuer und zuverlässiger Gefährte zu sein.
Taufbild (v.l): Bärbel; Jarnika; Bernd; Dorly; Wolfgang; Gerald
Bilder: Bärbel und Bernd; Text: Bernd
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